Wie die Beobachtung des Schreibprozesses zu besserem Schreiben führen kann. Zu Beginn des akademischen Jahres gibt Michelle Czajkowski neuen Studierenden Schreibtipps, die auf ihrer langjährigen Erfahrung als Schreiblehrerin und Forscherin basieren.
Was machen Sie, wenn Sie schreiben?
Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten an einem kurzen Essay für einen Universitätskurs. Planen Sie zuerst oder fangen Sie einfach an zu tippen? Überarbeiten Sie Ihren Text während des Schreibens oder warten Sie bis zum Ende, um ihn zu redigieren? Nutzen Sie Hilfsmittel wie die Rechtschreibprüfung oder Grammarly oder suchen Sie online nach Synonymen? Und noch wichtiger: Welche Vorgehensweisen sind wirklich hilfreich, um Ihren Text zu verbessern?
Warum der Schreibprozess wichtig ist
In den letzten zehn Jahren ist es viel einfacher geworden, zu untersuchen, wie Menschen schreiben. Dank Tools wie Bildschirmaufzeichnungen und Keylogging können wir nun den Schreibprozess verfolgen: die Pausen, die Überarbeitungen und sogar die Online-Recherchen nach Informationen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Verbesserung des Schreibunterrichts und der Unterstützung beim Schreiben.
Untersuchungen zeigen, dass die Strategien, die wir beim Schreiben anwenden, genauso wichtig sein können wie unsere Sprachkenntnisse. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Beobachtung des Schreibprozesses Schülern und Lehrern eine neue und nützliche Perspektive für die Verbesserung des Schreibens bieten kann. Dies kann bedeuten, dass man sich ein Video des Prozesses ansieht (Ranalli et al., 2018) oder eine Grafik analysiert, die das Pausen- und Überarbeitungsverhalten illustriert (Vandermeulen et al., 2020, 2023). Die Reflexion über den Schreibprozess hilft den Schülern zu verstehen, warum ihr Text so geworden ist, wie er ist, und was sie beim nächsten Mal ändern können.
Die Rolle von Schreibressourcen und dem Internet
Ein Teil des Schreibprozesses, dessen Verständnis immer wichtiger wird, ist die Verwendung digitaler Tools wie Rechtschreibprüfung oder Online-Wörterbücher. Einige Schüler vertrauen diesen Tools zu sehr und gehen davon aus, dass sie jeden Fehler finden. Andere ignorieren hilfreiche Vorschläge aufgrund früherer schlechter Erfahrungen. Untersuchungen zeigen, dass beide Extreme zu Problemen führen können (Guo et al., 2022). Schlecht gewählte Ersatzwörter, übersehene Korrekturen oder umständliche Formulierungen können die Folge einer unkritischen Nutzung dieser Tools sein.
Ich habe selbst beobachtet, wie Studierende einfache Wörter durch „akademisch klingende” Begriffe aus Online-Thesauren ersetzt haben, was zu umständlichen oder verwirrenden Sätzen führte. Das ist nicht nur eine Anekdote: Studien haben gezeigt, dass Studierende besser angeleitet werden müssen, wann sie diesen Tools vertrauen und wann sie sich auf ihr eigenes Wissen verlassen sollten (Gilquin & Laporte, 2021).
Ein Einblick in den Schreibprozess von Radboud-Studierenden
Um unser Verständnis für die Schwierigkeiten zu vertiefen, mit denen Studierende beim Erlernen des akademischen Schreibens konfrontiert sind, habe ich eine kleine Studie mit Erstsemestern der Radboud-Universität durchgeführt, in der sie Essays schrieben, während ihre Bildschirmaktivitäten aufgezeichnet wurden. Ich bat eine Gruppe erfahrener Schreibdozenten, die fertigen Texte zu überprüfen, Probleme im schriftlichen Produkt zu identifizieren und sich dann die Bildschirmaufzeichnungen anzusehen, um zu verstehen, was diese Probleme während des Schreibprozesses verursacht hatte. Auf diese Weise konnten die Lehrkräfte Probleme im Text (wie ungeschickte Wortwahl oder inkonsistente Struktur) mit bestimmten Verhaltensweisen (wie das Überspringen der Planungsphase oder die falsche Verwendung von Online-Ressourcen) in Verbindung bringen. Abschließend gaben sie den Verfassern Feedback. Anstatt beispielsweise einfach „ungeschickte Formulierung” zu kommentieren, konnten die Lehrkräfte sagen: „Sie haben ein Wort aus dem Thesaurus gewählt, das nicht ganz passt. Überprüfen Sie beim nächsten Mal, wie es in Beispielsätzen verwendet wird.“ Ebenso wichtig war, dass dadurch irrelevante Ratschläge vermieden wurden: Wenn ein Schüler ständig überarbeitete, aber dennoch einen guten endgültigen Entwurf vorlegte, konnten stattdessen andere, relevantere Rückmeldungen gegeben werden.
In der nächsten Phase der Studie werden die Schüler selbst anhand eines Leitfadens zur Selbstbewertung über ihren eigenen Schreibprozess reflektieren.
Wie können Sie Ihren Schreibprozess verbessern?
Ob Sie Student oder erfahrener Autor sind, Sie können davon profitieren, Ihren Schreibprozess zu reflektieren. Hier sind einige evidenzbasierte Tipps:
- Gehen Sie bei der Planung über eine einfache Liste vager Ideen hinaus. Versuchen Sie, auch die Struktur Ihrer Argumentation zu skizzieren, Ihre wichtigsten Punkte zu ordnen und zu notieren, wo Quellen oder Beispiele eingefügt werden sollen.
- Digitale Tools sind hilfreich, aber nicht unfehlbar. Bevor Sie auf „Vorschlag akzeptieren“ klicken, fragen Sie sich: Verbessert dies tatsächlich den Satz? Verwenden Sie vertrauenswürdige Wörterbücher mit Beispielsätzen, um die Verwendung von Wörtern zu überprüfen, und seien Sie besonders vorsichtig bei der Verwendung von vorgeschlagenen Wörtern, die Ihnen nicht wirklich geläufig sind.
- Grammatik zu korrigieren ist einfach. Eine echte Überarbeitung beinhaltet jedoch, Ihre Argumentation zu überdenken, Ihre Logik zu verdeutlichen und die Struktur zu verbessern. Versuchen Sie, einen Überarbeitungsdurchgang mit Schwerpunkt auf dem Inhalt und einen separaten Durchgang für Korrekturen auf Satzebene durchzuführen.
Nehmen Sie Ihren Bildschirm während des Schreibens mit einem kostenlosen Tool wie OBS Studio (obsproject.com) auf. Sehen Sie sich das Video später noch einmal an und berücksichtigen Sie dabei die oben genannten Punkte. Möglicherweise entdecken Sie überraschende Muster.
Nehmen Sie an der Studie teil
Das Zentrum für Sprachstudien untersucht derzeit, was Studierende sehen, wenn sie sich Videos von sich selbst beim Schreiben ansehen. Sind Sie Erstsemester an der Radboud und interessiert? Folgen Sie dem Link, um weitere Informationen zur Studie zu erhalten.
References
Gilquin, G., & Laporte, S. (2021). The Use of Online Writing Tools by Learners of English: Evidence From a Process Corpus. International Journal of Lexicography, 34(4), 472–492. https://doi.org/10.1093/ijl/ecab012
Guo, Q., Feng, R., & Hua, Y. (2022). How effectively can EFL students use automated written corrective feedback (AWCF) in research writing? Computer Assisted Language Learning, 35(9), 2312–2331. https://doi.org/10.1080/09588221.2021.1879161
Ranalli, J., Feng, H.-H., & Chukharev-Hudilainen, E. (2018). Exploring the potential of process-tracing technologies to support assessment for learning of L2 writing. Assessing Writing, 36, 77–89. https://doi.org/10.1016/j.asw.2018.03.007
Vandermeulen, N., Leijten, M., & Van Waes, L. (2020). Reporting Writing Process Feedback in the Classroom. Using Keystroke Logging Data to Reflect on Writing Processes. Journal of Writing Research, 12(vol. 12 issue 1), 109–140. https://doi.org/10.17239/jowr-2020.12.01.05
Vandermeulen, N., Van Steendam, E., De Maeyer, S., & Rijlaarsdam, G. (2023). Writing Process Feedback Based on Keystroke Logging and Comparison With Exemplars: Effects on the Quality and Process of Synthesis Texts. Written Communication, 40(1), 90–144. https://doi.org/10.1177/07410883221127998
Autorin: Michelle Czajkowski
Redakteur: Jitse Amelink
Übersetzer Deutsch: Carmen Ramoser
Übersetzer Niederländisch: Anniek Corporaal
